Liebeskummer

Ungefähr 8.000 Selbstmorde werden in der BRD pro Jahr aus Liebeskummer verübt. Dabei dürfte die Dunkelziffer recht groß sein, da nicht jeder einen Abschiedsbrief hinterläßt, bzw. nicht alle überlebenden Partner hilfreich bei der Motivfindung des Freitodes sind.

Die Gefahr für eine Kurzschlußreaktion beim Liebeskummer wächst mit dem Ausmaß der Abhängigkeit und dem Verlust der Ich-Identität in einer Beziehung (s. Abhängigkeit).

Es gibt viele Berichte über die äußerst schmerzvollen Erfahrungen beim Liebesentzug. Daß diese Phase oft mit einem Drogenentzug verglichen wird, geschieht nicht zufällig. Ähnliche Symptome lassen sich bei beiden "Krankheiten" beobachten: Schlaflosigkeit, Unruhe, Schweißausbrüche und Störungen des Magen-Darm-Traktes.

Neuere physiologische Untersuchungen bestätigen den Suchtcharakter des Liebeserlebnisses. Man hat herausgefunden, daß in der Phase der Verliebtheit (Liebesrausch) körpereigene Schmerzstoffe (Endorphine) vermehrt in bestimmten Hirnregionen angelagert werden. (Es handelt sich dabei um die gleichen Areale, die auch von Drogen wie Morphium oder Heroin besetzt werden.) Ist nun das geliebte Objekt nach einer Trennung nicht mehr vorhanden, dann wird auch die Endorphinproduktion gestoppt.

Es treten ähnliche Entzugserscheinungen auf, wie beim Absetzen von Drogen. Anders als beim Rauschgiftentzug (ca. 6 bis 10 Tage) kann aber der Liebesentzug wesentlich länger dauern, da das geliebte Bild vom Partner nicht so schnell vergessen wird und immer wieder "alte Wunden" aufreißt.

In Amerika hat man für vom Liebeskummer besonders hart betroffene Personen inzwischen eine spezielle Therapie entwickelt, die die unangenehmen Begleiterscheinungen verkürzen soll.

In therapeutischen Sitzungen werden Bilder von ehemaligen Partnern vorgestellt und verbalisiert, die die alten aus der Phase der Verliebtheit "löschen" sollen. Hat man früher den Geliebten idealisiert und all seine Fehler übersehen, liegt nun die Aufgabe darin, ein möglichst negatives, abstoßendes Bild vom Partner zu zeichnen. Alle Persönlichkeitszüge und Verhaltensweisen, die auch nur die geringste Kritik zulassen, werden nun stark überakzentuiert.

In der Praxis wird der Übende also jeden Morgen den Tag mit zehn Sätzen beginnen wie z.B.:"Er hat sich zu selten die Zähne geputzt", oder "Er hat seine Mutter gegen mich ausgespielt" oder "Für mich war er körperlich eigentlich viel zu klein" oder "Seine konservativen Ansichten konnte ich nicht ausstehen!"

Bei allen Bemühungen, das seelische Gleichgewicht wiederherzustellen, sollte man bedenken, daß auch diese negative Phase eine Erfahrung für die Persönlichkeitsentwicklung und Selbsterkenntnis ist. Wer sich sogleich in eine neue Beziehung flüchtet, wird kaum die Möglichkeit haben, etwas über die eigenen Motive und die des anderen kennenzulernen.


(von Manfred Saniter)

 

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