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{ Telefonberatung - The dark Side of the Moon }

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Nach meinen profunden Änderungen in der Telefonberatung hagelte es empörte Anrufe auf meiner Kontakt-Nummer. Es wurde wild geschimpft und gezetert ob der mit der Umstellung verbundenen Preiserhöhung.
All das erinnerte mich plötzlich an die Gedanken, die ich habe, wenn man mir die Zigaretten mal wieder teuerer macht. Auf Preiserhöhungen bei Fleischwurst und Joghurt reagiere ich normalerweise nur mit Schulterzucken. Nur bei meinen Zigaretten kann ich mich von einer gewissen hilflosen Wut bei höheren Preisen nicht freisprechen. Sucht. Ja, es ist Sucht. Und da wurde mir klar: bei manchen Ratsuchenden sind auch die Anrufe beim Kartenleger zur Sucht entartet. So soll es nicht sein. So ist es nicht gedacht.


Wie kann denn so eine Sucht zustandekommen?
Vielleicht so wie in diesem Horror-Szenario?

Der Leidensweg vieler "Line-Junkies" beginnt mit den "Pushern", die ihnen die "Schore" mit Gratis-Proben schmackhaft machen. Und ruck-zuck ist es passiert. Man ist "drauf". Willkommen in der Hölle. Die Abwärtsspirale kann beginnen. Was erst mit monatlichen Anrufen beginnt, entwickelt sich schnell zu einem täglichen Konsum. Die Nachfrage steigt, die "Dealer" reagieren. Ansagen werden "gestreckt" mit nicht enden wollender langweiliger Musik, die einen im schlimmsten Fall zu einer zumindest so wahrgenommenen Endlosschleife führt, in der sich alle Berater noch mit langen Texten persönlich vorstellen. Der "Line-Junkie" nimmt das alles auf sich, für den "Kick" für den Augenblick, wenn der endlich erreichte Berater ihm sagt, was er tun und lassen soll, was passieren wird und daß alle Wünsche wahr werden. Welch ein ruhiges wohliges angenehmes Gefühl! Dies wiederholt sich tagtäglich, später auch mehrmals täglich. Der "Kick" bleibt schließlich aus, man kann kaum noch wirklichen Nutzen aus den Gesprächen ziehen, aber angerufen wird weiter. Ohne sich vorher telefonisch "anzuturnen" ist man irgendwann nicht mehr in der Lage, alleine Entscheidungen zu treffen oder überhaupt einen Schritt vor die Tür zu tun. Man opfert all seine Ersparnisse, sucht neue, andere, billigere "Dealer" mit besserem "Stoff"; bis die Telekom einem dann schlußendlich den "goldenen Schuß" setzt und die Leitung kappt.


Ich denke mal weiter.
Nahezu jeder Telefonberater benutzt den Begriff "Stammkundschaft".
Ich für meinen Teil meine damit nicht die Ratsuchenden, die am liebsten täglich anrufen würden, wenn man es zuließe!
"Stammkunden" für mich sind jene schon liebgewonnenen Anrufer, die sich vielleicht halb- oder wenn's hochkommt auch mal vierteljählich die Karten legen lassen. Bei denen man eigene Entwicklungen spürt.
Bei denen man nach einem Gespräch das Gefühl hat, dieser Schubs hat geholfen, bei ihnen geht's jetzt wieder selber weiter.

Ich will niemanden süchtig machen.
Und ich will auch nicht suchtfördernd handeln.
Also werde ich
a) nicht mit Gratis- oder Preiswertgesprächen nur so um mich werfen,
b) nicht ständig und täglich erreichbar sein und
c) zu häufige Beratungsgespräche ablehnen, sollte sich rausstellen, daß ich es mit jemandem zu tun habe, mit dem ich vor kurzem erst gesprochen habe.

Mehr kann ich von meiner Seite aus nicht tun.

Die Anrufer, die nun über den hohen Preis geschimpft haben, haben mir die Augen geöffnet. Ich weiß nun, es gibt sie die Süchtigen.
Und ich hatte auch schon mit ihnen zu tun. Ich kann mich nun erinnern. Es gab früher, als ich häufiger erreichbar war, ein paar, die riefen fast täglich an. Ich dachte mir damals nichts dabei, außer daß ich mir irgendwann doch ein bißchen blöde vorkam. "Ja, nuschel ich, oder warum muß ich hier dauernd dasselbe erzählen?" dachte ich so bei mir...
Und ein bestimmter Anrufer blieb mir auch in Erinnerung:
Ich hatte damals mal das zweifelhafte Vergnügen, an einen ganz Hartnäckigen geraten zu sein, da ich den Fehler gemacht hatte, und ihn (gratis) zurückgerufen hatte, da er offensichtlich in unglaublicher Geldnot steckte. Und dann hatte ich den Salat. Es grenzte an Stalking, mehrere Mails täglich "Ruf mich an, es ist das und das passiert", "Ruf mich unbedingt sofort an" usw. - und?
Ich habe mich sogar zunächst darauf eingelassen, aber es hörte nicht auf. Ganz im Gegenteil. Also habe ich nach ein paar Tagen überhaupt nicht mehr reagiert. Ich war einfach nicht mehr verfügbar, und es hörte auf.
Zumindest für mich.

Sicher, ich lege Karten, ich berate am Telefon. Ich biete also demnach ein "Suchtmittel" an. Aber kann ich die Spielautomatenhersteller, Brauerein, Pharmafirmen, Zigarettenhändler oder Arbeitgeber, die die Überstunden ihrer geliebten Workaholics "dulden", verteufeln, nur weil eine maßlose Nutzung deren Angebote Sucht ist, bzw. sich zu einer entwickeln kann?

Bei allem, was Spaß macht, angenehm ist oder "kribbelt" gibt es immer die Mehrheit, die damit umgehen kann, das richtige Maß halten kann und insofern auch davon profitieren kann und immer auch die anderen, die es übertreiben und denen es nachher schlecht geht anstatt daß es gut tut!

Seit diesen wütenden Anrufern, habe ich nachgedacht. Allerdings sicherlich in eine andere Richtung als es von den Anrufern beabsichtig war!
Man schimpfte, daß es zu teuer sei, man nun nicht mehr so oft anrufen könne, woanders gäbe es das sogar komplett gratis, und so weiter. Ich solle wenigstens auch manchmal für die Anrufer Gratisgespräche machen, wo es doch sonst schon so teuer geworden wäre.

Ich kapierte es nicht, und sagte etwas wie "Ihr sollt doch alle gar nicht so oft anrufen" - "Telefoniert in Maßen, dann kostet es im Vierteljahr soviel wie ein anständiger Frisörbesuch." - "Macht es seltener und zieht umso mehr Nutzen daraus."

Bis ich dann merkte: darum ging es den meisten gar nicht! Es ging um den eigenen Wunsch, die eigene Gier schon fast, täglich und noch öfter so preiswert wie möglich bis ganz gratis bei jemandem anzurufen, nicht zuletzt ohne Interesse daran und Rücksicht darauf, ob der Berater nun selber etwas dafür bekommt oder nicht (wie bei den Gratisgesprächen).

Daß er (im gewünschten Optimalfall) ganz ohne Bezahlung jeden Tag aufs Neue für ein und dieselbe Person seine Zeit opfert, interessierte niemanden wirklich. Hauptsäche es wird sich gekümmert, und das so verfügbar und billig wie möglich, koste es den anderen an Zeit und Nerven was es wolle.

Ich weiß, daß ich vielen Beratern aus der Seele spreche, wenn ich sage: es ist demotivierend immer mit demselben Anrufer über immer dasselbe Problem zu sprechen. Irgenwann ist da alles gesagt. Und dann muß es auch gut sein, und man kann sich mit dem nächsten Anruf erstmal ein paar Monate Zeit lassen.
Als Berater bekommt man doch spätestens am 3. Tag hintereinander für sich selber den Eindruck, man sei völlig unfähig, sich so auszudrücken, daß der andere einen versteht.

Es ist hier also jetzt etwas teuerer geworden.
Mehr ist doch gar nicht passiert.
Muß man da so schimpfen?

Lilith am 15.11.2003




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