Beziehung

Für viele Paare stellt sich die Frage: Wie nah kann man sich in einer Paarbeziehung kommen, ohne sich selbst aufzugeben? Wie stark sollte die Beziehung nach außen hin offen beziehungsweise geschlossen sein?

Der Paartherapeut Jürg Willi nennt zwei Extremformen von Beziehungsarten, die beide für eine funktionierende Paarbeziehung nicht geeignet sind und Grundlage für massive Konflikte sein können:

Form A: Das Paar bildet eine geschlossene Einheit und ist gegen Beziehungen nach außen hin abgegrenzt. Diese Beziehungsform ist oft in der Phase der ersten Verliebrtheit zu beobachten. Wird sie aber auch später aufrechterhalten, kann es zu einer Überintimität kommen, man möchte einander ganz gehören und alles miteinander teilen. Die Extremform ist oft mit dem Verlust des eigenen "Ichs" verbunden.

Form B: Die Partner dieser Beziehung errichten aus Furcht vor einem Selbstverlust eine Mauer gegeneinander. Man hat Angst, den Partner zu nahe an sich herankommen zu lassen. Häufig dient eine intime Kontaktaufnahme mit außenstehenden Personen dazu, eine zu starke Paarbeziehung zu vermeiden.

Eine funktionsfähige Paarbeziehung ist zwischen diesen beiden Extremformen anzusiedeln, also zwischen der Form der abgeschlossenen, exklusiven Zweisamkeit und dem nach außen vollkommen offenen "Nebeneinanderleben".

Jürg Willi sagt dazu in seinem Buch "Die Zweierbeziehung":

"Die Beziehung der (Ehe-)Partner zueinander muß klar unterschieden sein von jeder anderen Partnerbeziehung. Die Dyade (Zweierbeziehung) muß gegen außen klar abgegrenzt sein, die Partner müssen sich als Paar fühlen, müssen füreinander eigenen Raum und eigene Zeit beanspruchen und ein (eheliches) Eigenleben haben.

Innerhalb des Paares müssen die Partner aber klar voneinander unterschieden bleiben und klare Grenzen zwischen sich respektieren."

Die Grenzen zwischen einem Paar und die Grenzen nach außen hin sollten für die Partner wie auch für Außenstehende sichtbar, aber trotzdem nicht zu starr sein.

Die Wahl der Beziehungsform wird in einer Partnerschaft allerdings nicht einmalig vorgenommen und dann weiterhin eingehalten. Es handelt sich dabei eher um einen dynamischen Vorgang, bei dem das Experimentieren mit verschiedenen Abgrenzungsprinzipien ein durchaus "normaler" Vorgang ist. Je nach gerade vorliegenden Bedürfnissen und Stimmungen wird eine funktionierende Zweierbeziheung auf der Skala zwischen den beiden genannten Extremen einen für das Paar spezifischen Mittelwert suchen.


(von Manfred Saniter)

 

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