Fast alle Konflikte, die in einer Partnerschaft auftreten können, zeichnen sich dadurch aus, daß wir mit unseren Gefühlen und denen des Partners nicht richtig umgehen können.
Die Schwierigkeiten beginnen schon in desn ersten Lebensjahren. Bestimmte Erziehungsvorschriften vermitteln uns, daß ein Junge wenig oder gar keine Angst zeigen darf. Mädchen hingegen dürfen ihre Ängstlichkeit offen zugeben. Ein Junge darf auch durchaus zornig und wütend sein. Diese Gefühlsreaktionen "gehören sich aber nicht" für ein Mädchen. So kommt es, daß schon frühzeitig ganze Gefühlsspektren ausgeklammert werden, weil sie nicht in die festgelegte Geschlechterolle passen.
Überhaupt kann man beobachten, daß in der Umgangssprache wenig Platz für echte Gefühle ist. Wer bei der Begrüßung fragt: "Wie geht's?", erwartet sicherlich kaum eine eingehende Zustandsbeschreibung der gerade vorherrschenden Gefühle. Die gängige, nichtssagende Antwort aber lautet dann meistens: "Danke!".
Der Ehetherapeut Dr. U. Beer stellt in seinem Buch "So wird Ehe gut" fest: "In der Eheberatung sind wir immer wieder überrascht, wie viele Paare seit Jahren zusammenleben, die sich über ihre wesentlichen Gefühle noch nie ausgetauscht und sie noch in Sprache umgesetzt haben."
Am Anfang einer Paarbeziehung wird meistens relativ viel über Gefühle gesprochen. Dabei handelt es sich aber vorwiegend um positive Gefühle des Glücks, der Liebe und der Zuneigung. Auch in dieser Phase findet schon eine Gefühlsauslese statt. Im Laufe einer Verbindung treten dann oft immer mehr äußere Probleme in den Vordergrund. Man muß sich um die Sicherung der Existenz kümmern und findet kaum noch Zeit, sich mit den eigenen Gefühlen oder denen des Partners zu beschäftigen.
Wieweit die emotionelle Entfremdung fortgeschritten ist, wird oft erst klar, wenn durch äußere Einwirkung die gewohnte "Vollbeschäftigung" unterbrochen wird. Das kann zum Beispiel durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit eintreten.
Es gibt verschiedene Techniken, die Gefühlsdefizite in einer Partnerschaft aufzuarbeiten. Eine Möglichkeit ist der "Kontrollierte Dialog", der ohne Fremdhilfe praktiziert werden kann. Das Ziel ist: für die eigenen Gefühle und für die des Partners wieder sensibler zu werden.
ÜBUNG ZUR GEFÜHLSSENSIBILISERUNG
Täglich ca. 10 Minuten "Kontrollierter Dialog":
1.) Partner A teilt B etwas mit. | A: "Daß du mir heute die Hausarbeit abgenommen hast, hat mich überrascht." |
2.) B formuliert die Gefühle, die, wie er meint, hinter A's Mitteilung stehen. | B: "Es hat dich gefreut, daß ich alleine auf die Idee gekommen bin?" |
3.) A nimmt dazu Stellung. | A: "Ja, weil ich dich nicht erst bitten mußte." |
4.) Jetzt beginnt B mit der Mitteilung. | B: "Anschließend habe ich mich irgendwie gut gefühlt." |
5.) usw. |
Die Technik, die Gefühle des Partners zu reflektieren, ist auch ein wichtiger Bestandteil der Gesprächstherapie, wie sie Carl R. Rogers entwickelte (und R. Tausch später für den deutschen Sprachraum modifizierte).
Dort spricht man von der Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte (VEE) durch den Therapeuten.
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