ausführlichere Biographie von Eugène Guinot (1860) |
Marie-Anne Adélaïde Lenormand war eine der berühmtesten Kartenlegerinnen aller Zeiten.
Für ihr Geburtsdatum gibt es zwei Daten: 16.9.1768 und der 27.5.1772.
An beiden Tagen wurde eine Marie-Anne Lenormand in Alençon geboren.
1768 handelte es sich jedoch um Marie-Annes Schwester, ein Baby, das bereits wenige Stunden
nach der
Geburt verstorben ist. Marie-Anne Lenormands Mutter Anne-Marie Gilbert
nannte ihr 2. Mädchen wiederum Marie-Anne, dem alten Aberglauben nach, daß
die Seele ihrer toten Tocher in diesem Mädchen weiterlebe, wenn es denselben Namen
wie das tote Kind bekäme. "Unsere" Mademoiselle Lenormand wurde also am 27.5.1772 im Stadtviertel Saint-Léonard also der Altstadt von Alençon in der Normandie geboren. Sie starb am 25.6.1843 in Paris im Alter von 71 Jahren, obwohl sie sich selber ein 124-jähriges Leben prophezeit hatte. Aber das Leben läuft halt manchmal anders als es in den Karten steht... Sie wußte, daß sie mal wegen Ärztepfusch das Zeitliche segnen sollte, also hielt sie sich von Ärzten ihr Leben lang weitestgehend fern. Bis sie dann in dem heißen Sommer 1843 wegen einer Blasenerkranung operiert wurde und daran auch prompt verstarb. Sie hatte einen älteren Bruder, Marc, und eine jüngere Schwester, die Sophie hieß. Ihr Vater Jean-Louis war ein angesehener Tuchändler und starb, als Marie-Anne noch ein kleines Kind - genauer: 1 Jahr alt - war. Ihre Mutter heiratete erneut, starb aber ebenfalls fünf Jahre später und hat den frühen Tod ihres ersten Gatten nie wirklich verkraftet. Marie-Annes Stiefvater führte das florierende Geschäft weiter und eröffnete sogar eine Zweigstelle in Paris. Marie-Anne Le Normand war ein "Streuner", sie verließ schon als Kind morgens das Haus und kam erst bei Sonnenuntergang wieder zurück. Sie hatte eine Vorliebe für Künstler und Artisten. Von einem Zigeuner lies sie sich aus der Hand lesen und er prophezeite ihr großen Erfolg in der Fremde. Diese Menschen campierten vor den Toren der Stadt, da sie nicht hineindurften und genau dort hielt sie sich sehr häufig auf. Von einem Zigeuner kaufte sie mit ihren Freundinnen ein Kartenspiel. Das Tarot von Etteilla mit ägyptischen Symbolen. Und sie begann, es wie die Zigeuner für Zukunftsvorhersagen zu nutzen. Erzogen im ortsansässigen Benediktinerkloster (um lesen zu lernen) arbeitete sie bereits mit 11 Jahren bei einer Schneiderin (um nähen zu lernen). Später, 1786, zog sie nach Paris zu ihrem Stiefvater und arbeitet dort als Verkäuferin in seinem Wäschegeschäft. Auf jeden Fall hatte sie als Dessous-Verkäuferin genügend Kontakte zu den Damen der feinen und auch nicht so feinen Gesellschaft und es wurden hinter der Theke fleißig die Karten gelegt. Sie benutzte zum Kartenlegen die Decks von Jean-Baptiste Alliette, Sein Tarot und das "Petit Etteilla"-Deck, das der "Erfinder des Kartenlegens" ("Etteilla, ou manière de se récréer avec un jeu de cartes") im Jahre 1791 entworfen hat. Sie war mittlerweile bei vielen Menschen bekannt und beliebt. Ihre merkwürdigen und häufig auch zutreffenden Vorhersagen erregten großes Aufsehen. Demzufolge wurde sie auch immer mal wieder wegen ihrer magischen Praktiken verhaftet. Doch war auch immer jemand da, der ihr wieder zu Freiheit verhalf und schwerwiegende Verurteilungen blieben aus. Da sie nicht wirklich Interesse an "ernsthafter" Arbeit hatte, verlegte sie sich immer mehr aufs Kartenlegen und auf Prophezeiungen, mit denen sie ja schon als Kind recht treffend und erfolgreich war (bereits mit 14 Jahren praktizierte sie das, was wir heute "professionelles Kartenlegen" nennen). Sie beschäftigte sich aber auch mit anderen Divinationstechniken (u.a. Handlesen, Kaffeesatz, Würfel, Bergkristall, Spiegel). Nach einem kurzen Aufenthalt in London, ging sie zurück nach Frankreich und blieb in Paris. Nach dem Job in der Dessous-Boutique eröffnete sie im Jahre 1793 in Faubourg Saint-Germain in der Rue de Tournon Nummer 5 (einem Haus aus dem 17. Jahrhundert, in dem heutzutage ein Juweliergeschäft ansässig ist) ihr Kartenlege-Studio unter dem Deckmäntelchen eines Buchhandels... Sie übernahm die Wohnung von Hébert, dem Leiter des damaligen Revolverblattes "Père Duchesne", der ihr schon in des öfteren negativ aufgefallen war, bis hin zu Handgreiflichkeiten ihr gegenüber, die Nachbarn schlichten konnten. Nachdem sie vorher ein paar Häuser weiter (Nr. 9) gewohnt hatte, zog sie sofort ein, als die Wohnung frei wurde, da sie Haus Nummer 5 schon lange für sich als ideales Haus ausgependelt hatte. Nicht zuletzt wohl aufgrund eines Geheimganges im Keller, der ihr immer wieder nützlich war, denn sie hatte eigentlich ständig Ärger mit der Polizei und konnte so des öfteren knapp entkommen. Laut ihren Aussagen beriet sie u.a. Kaiserin Josephine, mit der sie angeblich eine sehr intime Freundschaft verbandt, Robespierre und Napoleon. Und natürlich besuchten sie unzählige Politiker, Bänker, Adelige, Frauen von Welt und Halbwelt, Schauspieler und Künstler in ihrer noblen Wohnung, um sich von ihr für sehr viel Geld die Karten legen zu lassen. Hausmädchen, Putzfrauen, Köchinnen, halt die nicht so Wohlhabenden bekamen es billiger, so daß sich ganz Paris Mademoiselle Lenormand leisten konnte. Man sagt, sie habe immer in einem Sessel vor einem Wandteppich mit Tarotkarten gesessen, die Finger voller Ringe, und auf dem Kopf einen orientalischen Turban. Man kann mit Recht sagen, daß sie zu den bestinformiertesten Parisern zählte... Man kann aber auch mit Recht sagen, daß sie oft sehr traurig war. Sie fuhr dann zurück nach Alençon, wo sie aufgewachsen war, begab sich dort in die Natur, genauer auf einen Hügel zwischen 2 Bäume - ihren Lieblingsplatz - und meditierte und trauerte um ihre Mutter. Oder sprach mit ihrem Ariel, der ihr immer all die Prophezeiungen mitteilte. Im Jahre 1814 begann sie damit, ihre Memoiren und andere Bücher zu schreiben und veröffentlichte bei der Gelegenheit auch einige brisante Einzelheiten über die "großen Männer" Frankreichs... Ihre Bücher im einzelnen: (die "grünen" habe ich)
Und es tauchten auch bereits zahllose Kartenleger auf, die sich alle als ihre Schüler ausgaben... Etwas in Vergessenheit geraten verstarb sie am 25. Juni 1843. Ihre Beerdigung in Paris auf dem Friedhof Père Lachaise wurde allerdings wieder ein Medienereignis. Sofort nach ihrem Tod machten sich Biographen ans Werk, und noch im selbem Jahr erschienen drei recht phantastische Erzählungen über das Leben der Mlle Lenormand, denen weitere "authentische Erinnerungen" und "Wahrheiten" folgten. Ein paar davon sind:
Ab 1845 tauchte dann auch das erste Kartenspiel auf. Es wurde von einer Madame Breteau, der Frau eines Buchverlegers, aufbereitet, die sich allerdings sowohl als Gräfin als auch als Schülerin von Mlle Lenormand ausgab. Ihr Spiel mit 54 Karten wurde ein Klassiker. Kurz drauf 1850 erschienen in Deutschland mit landestypischer Symbolik die so genannten "Petit Lenormand" von der Firma Dondorf: die 36 kleinen Lenormand-Karten. Allerdings hat man in keinem der Bücher von Mlle Lenormand eine theoretische oder praktische Anleitung zu ihren Karten gefunden. Es waren ausschließlich persönliche Erinnerungen und Voraussagen. Im Jahr ihres Todes erfolgte ihre letzte Prophezeiung: ein Krieg im Jahre 1915 und amerikanische Schiffe überall an Europas Küsten. Ihr Neffe Hugo, der Sohn ihrer Schwester Sophie, um den sie sich sowieso schon seit dem Tod ihrer Schwester gekümmert hatte, war Offizier in der Armee in Afrika und erbte ihr Vermögen, das auf etwa 1 Mill. Francs geschätzt wurde; manche Quellen reden allerdings "nur" von 120.000 Francs; und manche sagen, daß sie nichts anderes konnte als Geld anhäufen... Und ein späterer Bewohner des Hauses in der Rue de Tournon Nr. 5 erhielt im Jahre 1866 angeblich eine Nachricht aus dem Jenseits von ihr. to be continued... |